Kein MHD[1] für Hebebänder und Rundschlingen, aber …   

Frage: Wie viele Jahre darf man ein Hebeband oder eine Rundschlinge (siehe Abbildung 7) verwenden? Gegenfrage: Wie lange darf ein Auto am Straßenverkehr teilnehmen? Antwort auf beide Fragen: So lange, wie die technischen und sicherheitsrelevanten Voraussetzungen nachweislich erfüllt sind. – Bei diesem Thema gibt es einiges zu beachten. Was man wissen sollte, erklärt dieser Gastbeitrag.

von Werner Glasen (SpanSet Deutschland GmbH)

 

1          Grundsätzliches

Immer wieder werden wir als Hersteller gefragt, ob Hebebänder und Rundschlingen ein Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) oder wie bei Medikamenten gar ein Verfallsdatum haben. Die Antwort lautet: Nein, das gibt es nicht. In der maßgeblichen EN 1492 heißt es sowohl für Rundschlingen als auch für flachgewebte Hebebänder aus Chemiefasern: „keine Gefahr durch mangelnde Dauerbeständigkeit, wenn die Rundschlingen mit den (…) festgelegten Leistungsstufen für übliche Lastaufnahmezwecke angewendet werden.“[2]

Das ist an sich eine gute Nachricht, weil einer möglichst langen und somit nachhaltigen Nutzung der Hebebänder und Rundschlingen grundsätzlich nichts im Wege steht. Sie können nach unseren Erfahrungen bei bestimmungsgemäßer Verwendung, richtiger Lagerung und Pflege über viele Jahre und manchmal sogar Jahrzehnte eingesetzt werden.

Es wäre allerdings ein fataler Irrtum, aus der zitierten Passage der EN 1492 zu schließen, dass Hebebänder und Rundschlingen bedenkenlos immer weiter und weiter verwendet werden dürften. Von einer generell unbegrenzten Lebensdauer ist definitiv nicht die Rede.

 

2          Entscheidendes Kriterium für Nutzung: Technischer Zustand des Produkts

Ob ein Hebeband oder eine Rundschlinge genutzt werden darf, hängt nicht von einer vermeintlichen Mindesthaltbarkeit ab, sondern einzig und allein vom technischen Zustand. Man beachte: Hebebänder und Rundschlingen sind Arbeitsmittel, für die der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Art, Umfang und Fristen von Prüfungen ermitteln und festlegen muss.

2.1       Sichtprüfung vor jedem Gebrauch

Vor jedem Einsatz eines Hebebandes oder einer Rundschlinge ist eine Sichtprüfung durchzuführen. Das gilt ausdrücklich auch vor dem ersten Einsatz.

Falls Zweifel an der Gebrauchstauglichkeit bestehen, die Kennzeichnung verloren oder unleserlich ist, sind Hebebänder und Rundschlingen außer Betrieb zu nehmen und von einem Sachkundigen zu untersuchen.[3] Beispiele für Fehler oder Schäden, die eine dauerhaft sichere Benutzung beeinflussen können, sind z.B. für Hebebänder Quer- und Längsschnitte, Schnitte und Scheuerstellen an den Webkanten, Schnitte durch Nähstiche oder Schlaufen. Ähnliches gilt für Rundschlingen, wo Quer- oder Längsschnitte der Umhüllung auf eine mögliche Beschädigung des lasttragenden Kerns hinweisen[4].

2.2       Regelmäßige Prüfung durch „befähigte Person“

Zusätzlich zur obligatorischen Sichtprüfung vor jedem Einsatz eines Hebebandes oder einer Rundschlinge hat der Betreiber (Unternehmer) routinemäßige Prüfungen durch eine „befähigte Person“ (früher: „Sachkundiger“) durchzuführen und zu dokumentieren. Üblicherweise geschieht das mindestens einmal pro Jahr.

Welche Qualifikation eine „befähigte Person“ besitzen muss, beschreibt die EN 1492. Vorausgesetzt werden unter anderem eine entsprechende Ausbildung, Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen. Richtlinien für die Ausbildung enthält die EN ISO 9002:1994.[5]

 

3          Label, Kennzeichnung und Dokumentationspflicht

Alle Hebebänder und Rundschlingen sind verpflichtend mit einem fest mit ihnen verbundenen Produktlabel auszurüsten. Es muss unter anderem folgende Informationen enthalten: Rückverfolgbarkeitscode (z. B. für Rückrufe), Herstelldatum, Name des Herstellers, Tragfähigkeit (siehe Abbildung 1).

Die Inbetriebnahme einer Rundschlinge oder eines Hebebandes ist in einer digitalen Datenbank oder auf einer Karteikarte zu dokumentieren. Das Gleiche gilt für die regelmäßigen Prüfungen durch eine „befähigte Person“ (vgl. Punkt 2.2).

SpanSet Deutschland versieht Hebebänder und Rundschlingen mit einem Zusatzlabel (siehe Abbildungen 2, 3 und 5). Dieses Label ist nicht vorgeschrieben, hat sich aber in der Praxis als ausgesprochen hilfreich erwiesen. Der Nutzer kann darauf die Inbetriebnahme und die ersten sechs jährlichen Prüfungen mit einem wasserfesten Stift markieren. Wichtig: Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche und freiwillige Dokumentation. Das Beschriften des Zusatzlabels entbindet den Betreiber nicht von seiner oben beschriebenen Dokumentationspflicht.

Das Herstelldatum auf dem Label löst häufig Nachfragen zur vermeintlichen „Mindesthaltbarkeit“ aus. Auch deshalb, weil zwischen Produktion und Ersteinsatz mitunter eine längere Zeitspanne liegt. Hier gilt: Sofern das Hebeband oder die Rundschlinge nach Herstellervorgaben gelagert wurde, verfügt der Anwender bei Inbetriebnahme über ein neues Produkt – selbst viele Monate nach der Herstellung.

 

4          Instandsetzung und Reparatur

Üblicherweise werden in den Betriebsanleitungen die Reparaturen ausschließlich von Hersteller oder einer von ihm dazu beauftragte Person erlaubt. Die EN1492 sagt hierzu, dass Reparaturen an den Hebebändern (siehe Abbildung 6) keinesfalls vom Anwender durchgeführt werden dürfen.[6]

 

5          Betriebsanleitung

Der Hersteller hat für jedes Hebeband und jede Rundschlinge praktische Hinweise zur Benutzung und Pflege zu geben. Die Beachtung der Betriebsanleitung sollte für jeden Anwender und Unternehmer selbstverständlich sein. Der Hersteller muss die Betriebsanleitungen in Papierform mitliefern. Ab 2027 ersetzt die neue EU-Maschinenverordnung die Maschinenrichtlinie und erlaubt u.a. für textile Anschlagmittel wie Rundschlingen und Hebebänder digitale Betriebsanleitungen. Gut für die Umwelt und zeitgemäß für Nutzer und Hersteller gleichermaßen.

 

6          Schlussbemerkung

Es bleibt dabei: Ein MHD für Hebebänder und Rundschlingen gibt es nicht. Aber ein Anschlagmittel darf immer nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur bestimmungsgemäß benutzt werden. Ganz entscheidend ist, dass es sich in einem sicherheitstechnisch einwandfreien Zustand befindet. Das schließt das Vorhandensein eines gut lesbaren Produktlabels ein. Im Zweifelsfall empfehle ich, den Hersteller oder eine andere fachlich qualifizierte Person zurate zu ziehen. Bitte beachten Sie stets: Das Fehlen eines Mindesthaltbarkeitsdatums bedeutet nicht, dass man Hebebänder und Rundschlingen ohne Weiteres unbefristet einsetzen darf (Vgl. Abbildung 4).

Der Autor Werner Glasen ist seit 1991 in verschiedenen Positionen für die SpanSet Deutschland GmbH & Co. KG (Übach-Palenberg) tätig. Vor mehr als 20 Jahren übernahm er die Leitung von Produktmanagement, Vertrieb und Marketing.

 

Fußnoten:
[1] Mindesthaltbarkeitsdatum
[2] vgl. Textile Anschlagmittel – Sicherheit – Teil 1: Flachgewebte Hebebänder aus Chemiefasern für allgemeine Verwendungszwecke EN 1492-1:2000+A1:2008 Seite 9 (Deutsche Fassung) und Textile Anschlagmittel – Sicherheit – Teil 2: Rundschlingen aus Chemiefasern für allgemeine Verwendungszwecke EN 1492-2:2000+A1:2008 Seite 7 (Deutsche Fassung).

 
[3] Vgl. DIN EN 1492-1:2009-05 EN 1492-1:2000+A1:2008 (D), Seite 31 u. Rundschlingen aus Chemiefasern für allgemeine Verwendungszwecke DIN EN 1492-2:2009-05 EN 1492-2:2000+A1:2008 (D), Seite 23
[4] Vgl. DIN EN 1492-1:2009-05 EN 1492-1:2000+A1:2008 (D), Seite 31 u. Rundschlingen aus Chemiefasern für allgemeine Verwendungszwecke DIN EN 1492-2:2009-05 EN 1492-2:2000+A1:2008 (D), Seite 23
[5] Vgl. DIN EN 1492-2:2009-05 EN 1492-2:2000+A1:2008 (D), 3.15 Sachkundiger, Seite 7
[6] Vgl. DIN EN 1492-1:2009-05 EN 1492-1:2000+A1:2008 (D), 3.15 Sachkundiger, Seite 35

 

 

Abb. 1: Produktlabel mit Herstelljahr und Rückverfolgbarkeitscode als Barcode und Zahlenfolge

Abb. 2: SpanSet-Zusatzlabel (Vorderseite). Der Monat der Inbetriebnahme wird mit einem Dreieck markiert. Ein Punkt zeigt an, wann die nächste Prüfung ansteht

Abb. 3: SpanSet-Zusatzlabel (Rückseite)

4: Lebenszyklus von textilen Anschlagmitteln (Hebebänder und Rundschlingen)

Abb. 5: Vernähung des Zusatzlabel (Abb.2 und Abb.3) zusammen mit dem Produktlabel (Abb.1) an der Rundschlinge. Das Zusatzlabel dient unter anderem zur Kennzeichnung sowie Dokumentation

Abb.6: Wie im Text (Abschnitt 4) beschrieben, führt der Hersteller SpanSet Reparaturen und Instanthaltung an Rundschlingen durch

Abb.7: Anwendungsbeispiel einer von SpanSet produzierten Rundschlinge mit einer Tragfähigkeit von 20.000 kg